gemeinsam mit Julia Dorninger
Fotografie, performative Zeichnung
Parabluiberg, Perchtoldsdorf 2021, Fotografie, Inkjetdruck auf Fine Art Papier 310 gr, 42 x 59,4 cm, Edition 1/5 + 2, inklusive AR Arbeit, App Artivive
„Die Atmosphäre ist die gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen. Sie ist die Wirklichkeit des Wahrgenommenen als Sphäre seiner Anwesenheit
und die Wirklichkeit des Wahrnehmenden, insofern er, die Atmosphäre spürend, in bestimmter Weise leiblich anwesend ist.“
(Gernot Böhme, 1995)
Wald karthografieren 2022, gemeinsam mit Julia Dorninger
„Es geht nicht darum, Fakten mitzuteilen, sondern Erfahrungen zu vermitteln.“
(Gernot Böhme, Philosoph)
Die Geschwister Claudia Dorninger-Lehner und Julia Dorninger bewegen sich mit ihren Konzepten an der Schnittstelle von Kunst und Architektur, die Auseinandersetzung mit der Raumwahrnehmung bis zur Raumaneignung sind essentielle Grundthemen ihrer Arbeiten. Seit 2020 gilt ihr Interesse dem Landschaftsraum.
In dem aktuellen Projekt der Geschwister erforschen die Künstlerinnen den Wald. Baumstämme, die den Wald in unterschiedliche Bereiche gliedern, verzweigte Äste, die dreidimensionale Strukturen bilden, das wechselnde Licht, das dem Wald immer wieder neue Atmosphären schenkt – der Wald bildet ephemere Räume und kann so immer wieder neu erfahren und erlebt werden.
In ihren künstlerischen Forschungen spüren die Geschwister diese Räume auf und diesen Räumen nach. Über situativ-intuitive Handlungsprozesse im Wald eröffnen sich ihnen neue Erfahrungsräume in der komplexen Wechselbeziehung zwischen Mensch und Naturraum, das sinnliche Erleben der Atmosphäre des Waldes wird zum Ausgangspunkt zeichnerischer, fotografischer und performativer Handlungen. So entstehen visuelle bzw. strukturelle Notationen, die einerseits Spuren leiblicher Erfahrungsräume, andererseits selbst raumkonstituierend sind.
Das Projekt steht im Kontext relationaler Raumtheorien, in denen Raum nicht als gegeben, sondern als ein über das Verhältnis zwischen Mensch und räumlichen Strukturen konstruierter betrachtet wird. Den theoretischen Rahmen für die intensiven künstlerischen Raumforschungen der beiden Künstlerinnen bildet, vor dem Hintergrund der Phänomenologie und ihren Grundsätzen der Intentionalität, Leiblichkeit und Verkörperung, der Atmosphärenbegriff, den der Philosoph Gernot Böhme entwickelt hat. Atmosphäre als leibliche Erfahrung stellt für ihn jenen Teil des Raumwissens dar, das nicht vollständig in Worte gefasst werden kann und sich über die komplexe Wechselbeziehung zwischen Mensch und Raum konstituiert [1].
Auf den gemeinsamen Wanderungen der Künstlerinnen, in denen sich beide ganz im Sinne des dérive [2] mal dahin mal dorthin treiben lassen, entstehenden so vor Ort künstlerische Arbeiten, die danach im Atelier (re)arrangiert und neu kombiniert werden. Während sich in den Fotografien von Claudia Dorninger-Lehner der Wald als ein Konstrukt individueller Emotionen im Kontext von Zeit und Raum offenlegt, versucht Julia Dorninger, die unsichtbaren Strukturen und Spuren des Waldes aufzuspüren und ihnen in zeichnerisch-performativen Strategien nachzuspüren.
Die finalen Kunstwerke und Objekte vereinen die unterschiedlichen künstlerischen Ansätze und Techniken der Geschwister und können als Synthese ihrer individuellen Naturerfahrungen gelesen werden.
[1] Böhme, Gernot (1995): Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik, edition suhrkamp, Suhrkamp Verlag Berlin, 4.Auflage, 2019
[2] Debord, Guy (1958): Theorie des Umherschweifens. In: Roberto Ohrt (Hg.): Der Beginn einer Epoche. Texte der Situationisten. Hamburg: Edition Nautilus 1995
Ausstellungsansichten Wald kartographieren, 2022, Artivive
DI Claudia Dorninger-Lehner
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